Zweites Leben für den FeTAp 0111

Oder: Ich hab mir ein eigenes Mobiltelefon gebaut!*

Die Älteren unter euch können sich bestimmt noch daran erinnern: Früher gab es in der Regel nur ein Telefon zuhause. Das stand (zumindest bei uns) in der Diele und war natürlich kabelgebunden. Unseres war Bordeauxrot und hatte immerhin schon ein Tastenfeld. Einziges Feature neben dem Wählen von Nummern und natürlich dem Telefonieren selbst: Ein kleiner Nummernspeicher für die Wahlwiederholung. Früher war nicht alles besser aber manches einfacher.

Die Telefone wurden von der Deutschen Post bereitgestellt und trugen das Kürzel „FeTAp“. Dahinter verbirgt sich, wen wundert es, ein deutsch-bürokratisch stemmiges Wort: Der Fernsprechtischapparat. Ein Traum eines Produktnamens – man weiß sofort was das Teil kann. Dennoch ist das Ding für mich mega nostalgisch: Ich erinnere mich gut, wie abends lange mit meinen Freunden gequatscht habe. Abends deshalb, weil dann der Gebührenzähler deutlich langsamer lief. Ich meine 23 Pfennig für 4 Minuten für ein Ortsgespräch. Wilde Zeiten.

Geöffneter FeTAp: Viel Platz für die eigenen Erweiterungen

Für 5,- Euro wiederum kann man heute auf eBay so ein FeTAp ab und an ersteigern. Mein Modell hier ist zwar beige, das tut der Freude aber keinen Abbruch: das Tippen auf dem Tastenfeld und das Geräusch das der Hörer bei Abnehmen oder Auflegen macht wecken freudige Erinnerungen. Theoretisch könnte man das Telefon jetzt einfach an die Fritz Box anschließen, sofern die noch einen alten Analogen Telefonanschluss hat und direkt los telefonieren. Da die aber im Keller steht und das ganze nicht mehr Zeitgemäß ist, war das nächste Bastelprojekt geritzt: Aus dem FeTAp 0111 sollte der FeMAp 2000 werden:

Der Fernsprechmobilapparat 2000!

Teile aus dem 3D Drucker

Eine Prämisse bei meinen Bastelaktionen mit alter Hardware ist, diese möglichst unversehrt zu lassen. Glücklicherweise bieten diese Telefone viel Raum, um die vorhandene Hardware einfach zu überbauen oder bestehende Komponenten zu erweitern. So konnte ich mittels eines kleines Hebels an der Höhrerauflage und einer Halterung für einen Mikroschalter, die festverschraubt werden konnte eine Vorrichtung einbauen, mit der sich erkennen lässt ob der Hörer aufliegt oder abgenommen ist. Für die neue Hauptplatine konnte eine Halterung gedruckt werden, die einfach auf der alten Hardware aufliegt. Da das Mikrofon nicht mehr kompatibel mit der neuen Technik war, wurde die alte Kapsel vorsichtig entfernt und das neue Kondensatormikrofon in eine ebenfalls 3D-gedruckte Fassung eingesetzt.

Elemente wie die Display-Halterung kommen aus dem 3D-Drucker, designed in Fusion 360

Das erste eigene PCB

Eine tolle Erfahrung war die Entwicklung eines eigenen PCB, also einer eigenen Platine nur für dieses Projekt. Hier hatte ich bisher so gar keine Erfahrung mit und hab mich für das Projekt in das Thema eingearbeitet. Rausgekommen ist eine mit rund 8 Euro für 5 Exemplare recht günstige Platine, die die unterschiedlichen Komponenten gut vereint. Natürlich habe ich 2 Fehler eingebaut: Eine Diode fehlte, welche verhindert dass das SIM-Modul Strom vom Raspberry Pi Pico bezieht wenn dieser programmiert wird. Außerdem habe ich Depp einen Widerstand vergessen. Ärgert mich beides derbst, aber kann wohl beim ersten Projekt mal passieren.

Meine erste selbst designte Platine. Verrückt, was für Möglichkeiten heute für sein Hobby nutzen kann.

Zu den Komponenten im Detail: Für die mobile Kommunikation ist ein SIM800L-Modul verantwortlich. Das Modul gibt es für unter 10,- Euro. In der Theorie ist der Anschluss recht simpel: Das Board bekommt eine normale SIM-Karte verpasst. Außerdem brauch es ca. 3.7 Volt Spannung. Die Steuerung erfolgt über eine UART-Schnittstelle. Die Kommunikation erfolgt in beide Richtungen und findet über Modembefehle statt. Zusätzlich werden noch ein Mikrofon und ein Lautsprecher angeschlossen. In unserem Fall natürlich die im Hörer. Das Ganze bringt zwei Herausforderungen: Das Modul ist beim Verbindungsaufbau mitunter sehr gierig und braucht laut Hersteller im Peak bis zu 2A! Stehen die nicht bereit, resetet sich das Modul und man kommt in einen Connect-Loop. Das nervt, kann aber durch einen (in meinem Fall vermutlich überdimensionierten) Kondensator aber aufgefangen werden. Die andere Herausforderungen besteht in Abschirmung gegen Interferenzen bei Telefonaten. Erinnert ihr euch noch, wenn früher ein Anruf auf eurem ersten Handy einging und eure Boxen im Auto oder von der Stereoanlage den Anruf bereits lautstark ankündigten? Holla die Waldfeh, diese alten Vibes haben wir hier auch in voller Ausprägung. Da gibts noch Optimierungspotential.

Gesteuert wird das Ganze von einem Raspberry Pi Pico. Den habe ich lieb gewonnen während der Entwicklung der Software. Entwickelt habe ich mit der Arduino IDE. Das Board wird da sehr gut unterstützt. Der Pico zeichnet sich durch seine Vielzahl an GPIO-Ports aus. Außerdem bietet er mit seinen 2 Kernen Unterstützung für Multithreading. Die UART-Kommunikation lief direkt problemlos, der kleine OLED-Screen wird zuverlässig mit Infos befeuert. Alles top, und das für einen wie ich finde echt fairen Preis. Wird nicht das letzte Projekt mit dem Pico gewesen sein.

Der erste Prototyp auf dem Steckfeld. Und Louis Popo

„Kannst Du mich hören?“

Zur Wahl von Rufnummern musste noch das Tastenfeld „reverse engineered“ werden. Wobei der Begriff schon fast ein bisschen übertrieben ist: Die Tasten sind als Matrix geschaltet. Gibt man einen Stromimpuls auf die erste Spalte der Matrix, zeitgleich auf Reihe 2 und fließt Strom, so muss in diesem Moment die Taste 4 gedrückt werden. Das im Milisekundentakt abgefragt und mit einer Logik für Debouncing erweitert: Schon funktioniert das Tastenfeld.

Mit eingelegter SIM-Karte konnte dann auch bald der erste Anruf durchgeführt werden. Und tatsächlich: Es funktionierte! Jedoch: Aller Anfang ist schwer wenn man mein eigenes Mobiltelefon „entwickelt“. So war das Gespräch insbesondere auf Seiten des Angerufenen von Interferenzen geprägt. Hier gibt es noch Optimierungspotential durch bessere Schirmung der Mikrofonleitung und/oder durch eine Anpassungen der Schaltung.

„Natürlich ist da Snake drauf!“

Kein Telefon welches die Zahl 2000 im Namen trägt wäre komplett ohne ein ganz bestimmtes Spiel: Snake. Es ist so simpel wie gut. Und ich weiss gar nicht, wieviel Zeit man damals in dieses so triviale Spiel versenkt hat. Aber: Wir hatten ja nix! Bei aufgelegtem Hörer und Druck der *-Taste wird Snake gestartet. Da kommen schon echt Erinnerungen auf.. Übrigens: Wer nur den Part mit Snake nachbauen will, sollte einen Blick in vmednis Github Repository werfen. An dem Code habe ich mich bedient und für meine Zwecke angepasst. Danke für das OpenSource-Projekt an dieser Stelle.

Die Downloads

Zugegeben, das Projekt baut man nicht in 5 Minuten nach. Aber das muss man ja auch gar nicht. Es gibt bestimmt noch 1.000 andere Möglichkeiten, mit dem SIM800L-Modul oder anderen ein eigenes Mobiltelefon zu kreieren. Oder es kann eine ganz andere Funktion für solch ein altes Gerät gefunden werden. Und vielleicht kann der Kram hier ja einfach nur als Inspiration dazu dienen. Deshalb hier alles, was ihr vielleicht brauchen könnt:

Die Dateien

Den Code findet ihr wie immer in meinem Github-Profil.

*) Achja, der Akku fehlt noch. 😉 Aber: Es ist alles vorbereitet dafür!

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