AY-3-8500: Der Chip für alle Pong-Klone

Vor einem guten Jahr habe ich mir auf eBay für einen 10er ein Universum „TV-Multi-Spiel 2006“ gekauft. Selbiges kostete Anfang der 80er Jahre noch gute 65,- DM, wie man den Scans des Quelle-Katalogs bei retroport.de aus besagter Zeit entnehmen kann. Zugegeben, bei genauerem Blick ins Innere war das Multi-Spiel auch kaum mehr wert, aber seht gerne selbst in meinem Reparatur-Video dazu:

Im Multi-Spiel, wie auch in einer Hülle und Fülle anderer Pong-Klone aus dieser Zeit, werkelt ein AY-3-8500-IC. Was auch der Grund ist, warum alle Konsolen dieser Ära in etwa die gleichen Features hatten.

Technische Daten dieses ICs im Überblick:

  • Hersteller: General Instrument (USA)
  • Soundausgabe: Über einen Pin generiert der Chip einfache Tonsignale: z. B. Tonfrequenzen ~967 Hz (Ballaufprall), ~488 Hz (Abprall), ~1950 Hz (Punktgewinn) bei ~32 ms Pulsdauer.
  • Bezeichnung: AY-3-8500 („Ball & Paddle“) – Einführung etwa 1976.
  • Bauform: 28-poliges DIP-Gehäuse.
  • Betriebsspannung: typische Versorgung z. B. 6-12 V (häufig 9 V) bei den Konsolen.
  • Takt: ca. 2 MHz externer Takt (z. B. 2,01216 MHz ±1 %) zur Generierung der Bildsignale.
  • Stromaufnahme: typischerweise rund 30 mA.
  • Bildausgabe: Schwarz/Weiß – das IC erzeugt Zeilen- und Bildsynchronsignale, Horizontalzählung bis etwa 128 Punkte pro Zeile, Vertikal bis etwa 312 Zeilen (bei PAL-Modellen). Wikipedia

    Der AY-3-8500 war sozusagen der Standard-Chip zahlreicher Pong-Konsolen der ersten Generation, da er nahezu die komplette Logik der Spielemechanik (Ballbewegung, Kollisionsprüfung, Schlägersteuerung) sowie die Video- und Tonerzeugung auf einem einzigen IC integrierte. Dies ermöglichte niedrige Stückkosten und einfache Konstruktionen.

    In der Praxis bedeutet das für eine Konsole wie die von Universum: Der Großteil der Elektronik beschränkt sich auf den AY-3-8500, einen Taktgenerator (z. B. Kristalloszillator oder Resonator), Potentiometer für die Steuerung, RF-Modulator bzw. Bildaufbereitung und Netzteil bzw. Batterieversorgung.
    Für Farbversionen und Varianten mit erweiterten Spielen kamen Varianten wie der AY-3-8610 (10 Spiele) oder zusätzliche Farb-Encoder (z. B. AY-3-8515) zum Einsatz.

    Die Universum TV-Multi-Spiel Konsole reiht sich ein in die Ära der Heim-Pong-Geräte, die ab Mitte der 70er Jahre aufkamen. Gemäß der Videospielgeschichte war diese Phase durch festverdrahtete bzw. IC-basierte Konsolen geprägt – Wechselmodule waren selten.
    Für den Verbraucher bedeutete dies: relativ kostengünstiger Einstieg ins Heimvideospielen, einfache Technik, begrenzte Farb- und Steuerungsmöglichkeiten, aber hoher Nostalgiewert heute.
    Die Nutzung eines weit verbreiteten ICs wie dem AY-3-8500 bedeutete zudem, dass zahlreiche Hersteller ähnliche Geräte mit sehr ähnlicher Technik herausbrachten – was heute die Sammler- und Reparatur-Gemeinschaft durchaus erleichtert.

    Grüße aus der DDR: Das Bildschirmspiel 01

    Den AY-3-8500 umgibt zudem noch eine Besonderheit: Er war einiger der wenigen westlichen Chips, die damals in die DDR importiert werden durften. Auch in der DDR wollte man gerne Zocken, war aber nicht in der Lage unter wirtschaftlichen Aspekten einen Spiele-Chip wie den AY-3-8500 zu kopieren, wie man das mit anderen Chips bereits erfolgreich getan hatte.

    Da das Ding aber rein zum Zocken gedacht war, gabs eine Ausnahme: Der Chip durfte aus dem Westen eingeführt werden. Im Jahre 1977 beschloss das Ministerium für Elektrotechnik und Elektronik daher, das Bildschirmspielgerät 01 zu produzieren. Wie Deutsch kann der Name einer Spielekonsole nur sein.

    Gerade rechtzeitig um unter dem Weihnachtsbaum 1979 zu liegen wurde die Konsole fertig. Für happige 500 DDR-Mark war sie zu haben. Vermutlich mit ein Grund, warum am Ende weniger als 1000 von ihnen produziert wurden. Heute sind die Konsolen echte Sammlerstücke und werden zu hohen Preisen gehandelt, wenn man sie denn noch in akzeptablem Zustand finden kann.

    Rein Spielerisch bekam man natürlich aufgrund des verbauten Chips dasselbe Erlebnis wie im Westen, nur das eben das Gehäuse war ein anderes und sämtliche sonstigen Komponenten des Bildschirmspielgeräts kamen aus DDR-Produktion. Apropos Gehäuse: Davon gab es drei Varianten. Am verbreitetsten war die klassisch schwarze Variante. Daneben existierte eine Weiße mit dunklen Controllern und eine komplett Weiße. Für letztere kann man heute vermutlich eine Niere hergeben, möchte man als Sammler in den Genus einer solchen kommen.

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